Seit der EM vor zwei Jahren in Rimini gibt es meine „Randnotizen“, die ich – wie der Name schon sagt – am Rande der sportlichen Aktivitäten aufschnappe. Während sich die letzten drei Berichte zum Einzel, Doppel und Mixed fast ausschließlich mit sportlichen Aspekten befassten, geht es heute um lustige, kuriose oder erwähnenswerte Ereignisse am Rande. Meine 10 Notizen ließen sich leicht auf 100 erweitern.
RN 1: Mikael Appelgren
In jungen Jahren – es war 1985 – trampten mein schon damaliger Doppelpartner Thomas und ich zur Tischtennis-WM nach Göteborg. Nach mehrtägiger Anreise per Daumen erreichten wir nachts zum Finale China – Schweden unser Ziel. Schweden blieb damals chancenlos, revanchierte sich aber 1989 eindrucksvoll bei der WM in Dortmund, wo Thomas und ich als Attachés für Guernsey und Nordkorea im DTTB-Einsatz waren.
In beiden Endspielen für Schweden am Start: Der mehrfache Welt- und Europameister Mikael Appelgren. In Rom war „Äpplet“ im Doppel der AK60 dabei und wollte unbedingt ein Erinnerungsfoto (Titelfoto) mit mir. Oder verwechsele ich da was?
RN 2: Arturo aus Chile
Bei der WM 2018 in Las Vegas kreuzten sich erstmals unsere Wege. Damals trafen Thomas und ich in der Doppel-Gruppenphase auf Arturo und seinen Partner Christian aus Chile. Als wir die zwei beim Einspielen beobachteten, sahen wir unsere Siegchancen schwinden. Wie zwei Maschinen prügelten sie den kleinen Ball schnell und fehlerfrei über den Tisch. Im anschließenden Wettkampf gegen Cubelli/Lopez Madariaga zeigten wir uns aber variantenreicher und konnten 3:0 gewinnen.
Seitdem begleitet mich Arturo treu per facebook mit Likes und spanischen Kommentaren durch mein Tischtennis-Leben. In Rom schenkte er mir diesen selbstgebastelten TT-Schläger-Flaschenöffner. Ein zweiter für Thomas folgt möglicherweise per Post … oder beim nächsten Wiedersehen 2026 in Südkorea. Muchas gracias, Arturo!
RN 3: Botschafter Latheef
Korrekt müsste ich Ex-Botschafter schreiben, da er inzwischen im Ruhestand ist. Nachdem mich „seine Exzellenz“ Ende 2019 als Vertreter des BeTTV in die Botschaft der Malediven am Pariser Platz in Berlin eingeladen hatte, wollten wir gemeinsam ein Freundschaftsspiel auf den Malediven organisieren.
Der TT-Vergleich einer Berliner Auswahl gegen ein entsprechendes Team seines Landes kam aber nie zustande, weil Corona schon damals die Welt lahm legte. In der Fiera Roma liefen wir uns wieder über den Weg.
RN 4: Studienkollege Martinus
Eins der ersten bekannten Gesichter während des Trainings am Sonntag war „Martinus“, den Thomas und ich aus unserem gemeinsamen Göttinger BWL-Studium kennen. Schnell waren wir wieder bei alten Geschichten aus den 90ern. So reiste er zusammen mit seinen Kommilitonen Alfredo und Matze zum legendären Turnier nach Esbjerg.
Allerdings nicht wie alle anderen per Auto sondern – für Studenten recht feudal – mit Matzes Privatjet. Die drei legten den Schwerunkt allerdings kurzfristig auf Skat statt Tischtennis, zockten die Nächte durch und verließen Esbjerg, ohne einen Ball gespielt zu haben. Wie ich jetzt von Martinus hörte, hat er sich auch Romacorona mitgebracht.
RN 5: Pogos Kümmerlinge
Unser langjähriger Weggefährte Dirk „Pogo“ Mayer war von meiner Gastgeschenk-Idee der personifizierten Kümmerlinge offensichtlich so angetan, dass er sie auf seine Weise kopierte. Pogo spielte zu unseren Göttinger Studienzeiten mit Thomas in der 2. Bundesliga des ESV Jahn Kassel und übernachtete bei der hier bereits erwähnten WM 1989 in Dortmund auf einer Luftmatratze im Attaché-Zimmer von Thomas und mir.
Begegnungen dieser Art hatte ich dutzende in den Hallen der Fiera Roma. Diese fünf habe ich stellvertretend für alle anderen ausgewählt und freue mich auf weitere bei den nächsten WMs und EMs.
RN 6: Masters Support
Da es gerade um die World Masters Championships geht, klingt das besser als Hilfsmittel für ältere Sportler. Mein Foto zeigt, was man bei Senioren-WMs so im Gepäck hat. In meinem Fall sind dies zwei Kniebandagen, durch die das Knacken der Gelenke nicht so laut hörbar ist. Weiterhin eine Packung Ibu 400 und Diclo-Gel gegen entsprechende Schmerzen in der Gegend.
Traubenzucker zur kurzfristigen Energiezufuhr und Magnesium gegen Krämpfe sind dagegen bei Sportlern aller Altersklassen beliebt. Meine Mixedpartnerin schwört darüber hinaus auf Bachblüten-Bonbons zur Erdung vor Wettkämpfen oder Flugreisen. Und wenn gar nichts mehr geht, hilft ein kräftiger Schluck aus einem meiner Kümmerlinge gegen quasi alles.
RN 7: Professionelle Fotos
Wie bereits vor zwei Jahren bei der EM waren diverse Fotografen mit professionellen Kameras unterwegs und schossen unentwegt Fotos von den Akteuren an über 300 Tischen. Zu finden waren diese dann mit Wasserzeichen zunächst unbrauchbar auf getpica.com. Doch wie finde ich dort unter ca. 1 Mio. Fotos (meine Schätzung) genau meine?
2022 in Rimini waren die Fotos nach Uhrzeiten filterbar, was sich als mühsam herausstellte. Trotz erheblich mehr Aktiven lief dies 2024 deutlich besser. Man registrierte sich auf der Plattform, machte ein Selfie und schwups wurden in meinem Fall alle 108 Aufnahmen angezeigt, auf denen mein Gesicht erkannt wurde. Bei Thomas waren es fast 200. Unfassbar bis hin zu beängstigend, wie gut dies mittels KI inzwischen funktioniert. Selbst im Hintergrund als verschwommener Zuschauer wurde ich fehlerfrei erkannt.
Von diesen konnte man wahlweise 1 Foto (9,90 €), 2 (16,90 €) oder alle (seit heute 43,- € statt bisher 59,90 €) kaufen und das Wasserzeichen entfernen lassen. Ich entschied mich für 2 Mixed-Fotos, Thomas und Karin für jeweils alle. Einige dieser Fotos habe ich bereits in meinen Blogs genutzt. Ein Foto aus Rimini ist Titelbild der Rimini Randnotizen.
RN 8: Zwei Schildkröten
Wir waren in Fregene nicht zu zehnt sondern zu zwölft. Irgendwann entdeckten wir im Garten unserer Villa zwei Schildkröten, die sofort die Herzen besonders unserer weiblichen Team-Mitglieder eroberten. Es folgten tägliche Raubtierfütterungen mit Salat, Melone und anderen Leckereien. Da sich eine auch mal bis in die Nähe unserer Autos verlief, sahen wir die Gefahr, sie beim Ein- oder Ausparken zu überfahren.
Unser Host Michele schrieb aber, dass die zwei gepanzerten Bewohner die Villa besser als ihre Eigentümer kennen und wir uns keine Sorgen machen sollen. Apropos Parken: Die engen Gassen von Fregene erzeugten bei unseren Leihwagen Dauerwarntöne, weil weder links noch rechts genug Platz war. Auch beim Ein- und Ausparken im Innenhof unserer Villa neben Schlichs Motorrad waren geübte Tetris-Spieler im Vorteil.
RN 9: Mittwoch am Strand
Unsere Pläne, am spielfreien Mittwoch durch Rom zu pilgern, vertagten wir auf Samstag. Da sollte es statt der üblichen 38 „nur“ 33 Grad heiß sein. Außerdem waren unsere drei Coaches bereits am Dienstag dort und die Mixed-Aktiven hatten den langen Dienstag in den Knochen. Also ging’s zum von unserer Villa nur 500 m entfernten Strand.
Ein erholsamer Tag mit dem kompletten Team auf sonnengeschützten Liegen, im Mittelmeer und an der Beachbar. Zufällig lief uns dort Köppi in die Arme, der mit seiner Berliner Brauereien-Truppe im Inland wohnte und an irgendeinen Strand wollte. Wie sich später herausstellte, sollte es mein erster und letzter Strandtag werden, da ich am Sonntag mit Fieber und Wadenwickeln im Bett bleiben musste.
RN 10: Samstag in Rom
Ganz fit fühlte ich mich schon am Samstag nicht, schob das aber zunächst auf die anstrengende TT-Woche. Ich konnte aber nicht 9 Tage/Nächte bei einer WM in Rom am Start sein, ohne die Ewige Stadt auch nur einmal zu sehen. Außerdem hatte mir Rom bei diversen früheren Besuchen im letzten Jahrtausend immer sehr gut gefallen.
Also ging’s per Leihwagen zum nächsten Bahnhof und von dort per Regionalbahn nach Rom. Zumindest für 5 von uns. Team Hohberg sowie die gesundheitlich angeschlagen Andrea und Alex blieben in Fregene. Vatikan, Spanische Treppe, Trevi-Brunnen, Forum Romanum und Colosseum waren einige unserer Ziele. Bei den Temperaturen und Menschenmassen allerdings nur bedingt empfehlenswert.
Zumindest Gesa und ich kommen sicher nochmal wieder, im Frühling oder Herbst, außerhalb der Ferienzeit bzw. Hauptsaison mit weniger Touristen zu erträglicheren Temperaturen. Letztere in Kombi mit vielen Schritten durch das heiße Rom sorgten dann im Zug auf dem Rückweg für einen kleinen Schockmoment.
Meine Knöchel und Waden waren stark geschwollen und hatten dunkelrote Streifen. Sowas hatte ich noch nie und sah gar nicht gut aus. Erst dachte ich an eine Allergie durch die nagelneuen, noch ungewaschenen Butterfly-Socken. Eine spätere Recherche brachte die Diagnose: Purpura déffort. Was es nicht alles gibt. Dass sich parallel bereits Corona in mir ausbreitete, ahnte ich am Samstag noch nicht.
Schlusswort und Fazit
Weder ein Blog noch eine WM sollte mit Corona oder anderen Krankheiten enden. Obwohl wir langsam in ein Alter kommen, in dem diese offensichtlich Hauptgesprächsthema sind, bleiben sie hoffentlich künftig die Ausnahme. Die Woche war trotz meiner Zipperlein und teilweise aufkommenden Kritik toll. Wir hatten mal wieder ein geniales Team, bei dem alle viel Spaß hatten und sich blind auf einander verlassen konnten.
Sportlich lief es für mich trotz körperlicher Einschränkungen bei einer WM/EM nie besser. Mit dem Erreichen der Hauptrunde 3 im Einzel und 4 im Doppel kann ich zufrieden sein. Auch wenn uns allen der große Wurf in Form einer Medaille erneut nicht gelang. Von diesen gingen 33 an Deutschland, darunter 9 x Gold. Glückwunsch an alle auf dem Treppchen! Ergebnisse der WMC 2024 gibt es nochmals hier.
In welcher Form und mit welchem Team wir unser Projekt 2025 bei der EM in Novi Sad fortsetzen, wird die Zukunft zeigen.
Nachtrag 12.08.2024: Erst nach diesem Beitrag vom 21.07. ging die offizielle Website zur EVC 2025 online. Leider fehlte im Gegensatz zu früheren EMs und WMs in Roms Messehallen auch ein Infostand zu Serbiens zweitgrößter Stadt als Gastgeber der nächsten EM, die 2022 Europas Kulturhauptstadt war. Da unter ETTU- statt ITTF-Flagge, sind wir im kommenden Jahr wieder alle Veterans statt wie in diesem Jahr Masters.